Von Umm Qais nach Petra

Am nächsten Morgen geht es mir tatsächlich etwas besser. Dafür hat der tückische, syrische Flitzkackenvirus jetzt auch Werner und Rugard erreicht. Irgendeiner von uns sitzt immer auf dem einzigen Klo. Wir geben uns sozusagen die Klinke in die Hand. Lecker. Werner und Rugard zeigen mir nach dem Minimalfrühstück einen Aussichtspunkt auf einem Hügel im Ort, wo sie gestern Abend schon mal gewesen sind.
Ein phänomenales Panorama ! Wir befinden uns ja direkt im Dreiländereck Syrien-Jordanien-Israel. Auf der Höhe, in dem geschichtsträchtigen Ort „Umm Qais“ früher „Gadara“. (Wikipedialink) Wir blicken auf die fruchtbare Jordantal-Senke und dahinter breiten sich die Golanhöhen aus. Zum ersten Mal in meinem Leben sehe ich den See Genezareth. Israel ist zum greifen nah. Wir nehmen uns Zeit dieses traumhafte Panorama auf uns wirken zu lassen.

Noch etwas wackelig auf den Beinen packe ich, zurück im Hotel, meine Klamotten und wir machen uns auf den Weg.
Unser nächstes Ziel ist der Mount Nebo. Ein Berg in Höhe des Nordufers vom toten Meer, etwa 30km südwestlich von Amman. Es ist der Ort, wo Mose von Gott das heilige Land gezeigt bekommen haben soll, ohne dass er es betreten durfte. Er musste dann kurze Zeit später sterben. (Wikipedialink) Der Weg führt wieder zurück, über Irbid, raus aus den Bergen, und dann Richtung Süden, vorbei an Jerash, etwa 120km bis Amman. Hinter Amman biegen wir nach Südwesten ab, Richtung Naúr, und kurze Zeit später geht es ab in die Berge. Die Strecke führt durch viele kleine Dörfer und wir gehen es ab hier eher gemächlich an. Die Jordanier haben eine sehr unangenehme art die Geschwindigkeit ihres Straßenverkehrs innerorts zu regeln. So genannte „Speedbreaker“. Ähnlich wie das bei uns, in verkehrsberuhigten Zonen schon mal üblich ist, gibt es dort auch häufig, diese Asphaltwellen zur Geschwindigkeitsreduzierung. In Jordanien sind diese Speedbreaker allerdings viel höher und in fast jedem Ort vorhanden. Die Höhe steht proportional im Verhältnis zu der gewünschten Geschwindigkeit der Fahrzeuge.
Am Ortsausgang eines kleinen Ortes, auf einer eigentlich eher unscheinbaren Dorfstraße, kommt Werner, beim Anbremsen auf einen solchen „Speedbreaker“ ins rutschen und schmiert vorne weg. Wie in Zeitlupe legt er sich nach links ab, und rutscht mit der Karre über sich noch einige Meter weiter, über den Speedbreaker hinweg.
Das sah eigentlich gar nicht so schlimm aus. Aber er liegt da und bewegt sich nicht mehr. Rugard und ich stellen die Karren ab und eilen herbei. Werner liegt unter der Dragstar und gibt kein Lebenszeichen mehr von sich. Wir heben das Motorrad auf und er liegt da immer noch regungslos. Nach endlos langen, geschätzten 30 Sekunden sagt er endlich was. Oh, Mann, große Erleichterung ! Aber Werner sagt dass er seinen Arm nicht richtig bewegen kann. Mir schießen sofort tausend Gedanken durch den Kopf. „Was ist, wenn er jetzt den Arm gebrochen hat und Werner nicht mehr fahren kann ?“ In Jordanien ist man dann echt dumm dran. Hier greift kein ADAC oder Ähnliches mehr, da ist man dann wirklich komplett auf sich selbst gestellt. In Sekundenschnelle versuche ich instinktiv Lösungen zu finden und denke darüber nach, dass man ja auch zu zweit auf der Transalp weiter fahren könnte, wenn man sich der Hälfte des Gepäcks entledigt. Die Dragstar müssten wir halt dummerweise zurücklassen. Aber es würde funktionieren und wir könnten unsere Tour fortsetzen.

Glücklicherweise ist es nicht so schlimm, und Werner steht nach ein paar Minuten auf. Irgendwann kann er auch seinen Arm wieder bewegen. „Halleluja.“ Etwas Asphaltflechte und Rippenprellungen hat er allerdings schon abbekommen. Das können wir aber mit eigenen Mitteln versorgen. Alles cool. Mittlerweile sind auch viele Leute aus der Umgebung herbeigeeilt und sind um uns bemüht. Manche bringen frisches Wasser um die Wunden zu reinigen. Letztendlich ist alles halb so wild. Werner hat zwar noch die nächsten Wochen mit den starken Schmerzen der Rippenprellung zu tun, aber er hat keine größeren Verletzungen davongetragen. Rugard und mir hatte der „Schmiss“ allerdings schon einen gewaltigen Schrecken eingejagt. In „Offroadmanier“ richtet Rugard die verbogene Fußrastenanlage des Choppers mit ein paar festen Stiefeltritten, bis es sich wieder schalten lässt. Wir sehen uns die Unfallstelle noch mal genau an, und stellen fest dass es hier ganz feinen, kaum sichtbaren Sand auf der Straße gibt. Er ist fein wie Puderzucker und sauglatt. Das war die Ursache.

Weiter geht’s. 
Oben auf dem Mount Nebo gibt es eine große Pilgerstätte, die aber dummerweise geschlossen hat. Kein Mensch da außer uns. Eine Toilette und ein paar Flaschen Wasser wären schon sehr hilfreich gewesen an diesem Tag - „Na ja.“ Wir genießen wenigstens den grandiosen Blick über das Jordantal, hinüber nach Israel und machen eine Stunde Pause. Am Fuße des Berges wollen wir eigentlich noch ein Bisschen die geilen Schotterpisten erkunden. Hier begegnet man höchstens noch ein paar Beduinen mit ihrer Ziegenherde oder Kamelen.

Nach kurzer Zeit brechen wir die Sache aber ab, denn Werners Rippenprellung und die Schotterpisten vertragen sich nicht so gut miteinander. Er hat starke Schmerzen. Besser wieder zurück auf asphaltierte Straßen.

Das bereuen wir aber keineswegs. Denn ab jetzt folgen wir dem legendären „Kings-Highway“, einer alten Handelsstraße, die von Ägypten bis nach Syrien führte. Die „Straße der Könige“ ist hier nur zweispurig und führt durch eine unglaublich beeindruckende, kurvige Wüstenlandschaft. Zwei große Canyons müssen durchfahren werden. Beispielsweise die Abfahrt in den „Wadi al Mujib“ beginnt im Norden auf etwa 700 Höhenmetern, geht im Tal auf unter 200m, und dann wieder rauf auf über 850m. Alles Kurven. Das macht tierisch Spaß. Die Weite der Landschaft kann man kaum beschreiben, geschweige denn, in Bildern festhalten.

Es ist mit Abstand die geilste Motorradstrecke unserer Tour. Über Tafila, Ar Rashadiyah und Shamakh führt uns der Kings-Highway auf ein etwas höher gelegenes, wieder grünes Plateau, bevor wir dann nach etwas über 200km nach Westen abbiegen zu unserem Etappenziel: Petra, die vergessene Stadt, ein absolutes Highlight unserer Tour.

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